Obdachlos in Bayreuth

Das unbemerkte Schicksal.

Kein Dach über dem Kopf, keine eigene Wohnung.

Sie schlafen auf Parkbänken, nächtigen in Tiefgaragen und in Hauseingängen: Dutzende Frauen und Männer haben auch in Bayreuth keine eigene Wohnung. Unbemerkt von der Öffentlichkeit, fristen sie ein Schattendasein. Einzige Alternative bei frostigen Temperaturen: die städtische Obdachloseneinrichtung Haus Cosima. Mit ihrem Film „Obdachlos in Bayreuth“ wollen die drei Filmemacher Andreas Harbach (Kamera, Ton und Gesamtproduktion), Günter Saalfrank und Gunter Becker (beide Text) das Schicksal dieser Menschen sichtbar machen. Dafür haben sie mit mehreren Betroffenen gesprochen sowie mit Akteuren der Stadtverwaltung und der Stadtmission über ihre Hilfe und Unterstützung.

Die Story zum Film

Jede Geschichte hat einen Anfang.

Projektgruppe

Das Team hinter dem Filmprojekt.

Presse

Presse- und Hörfunkartikel

Die Story zum Film

Günter Saalfrank nahm im März 2023 an einer öffentlichen Probe in der Studiobühne in Bayreuth teil. Aufgeführt wurden Teile des Theaterstücks „Wohnungslos in Bayreuth“. Daran schloss sich eine Podiumsdiskussion an.

Seither hat dieses Thema den Theologen und Journalisten nicht mehr losgelassen. Er begab sich auf die Suche nach Verbündeten, um mit einem Film die Öffentlichkeit für Menschen zu sensibilisieren, die auf der Straße leben.

Mit dem Journalisten Gunter Becker und dem Filmemacher Andreas Harbach fand er die Personen, mit denen Saalfrank seine Idee umsetzte.
Bei dem Gemeinschaftsprojekt wirkten zudem beratend mit: Nancy Kamprad von der Stadt Bayreuth und der Leiter der Stadtmission Bayreuth, Volker Sommerfeldt.

Die Projektgruppe

Das Filmprojekt entstand aus einer gemeinsamen Initiative von engagierten Bayreuthern, die ihre unterschiedlichen Perspektiven und Kompetenzen eingebracht haben. Vom ersten Konzept bis zur finalen Umsetzung war es ein Zusammenspiel aus journalistischer Erfahrung, filmischer Gestaltung und fachlicher Beratung, getragen vom gemeinsamen Anliegen, soziale Wirklichkeit sichtbar zu machen.

Andreas Harbach, Gunter Becker und Günter Saalfrank
von links nach rechts: Andreas Harbach (Videoproduzent), Gunter Becker (Redakteur im Ruhestand), Günter Saalfrank (Dekan im Ruhestand)
  • Günter Saalfrank – Initiator und Text
  • Gunter Becker – Text
  • Andreas Harbach – Kamera / Ton / Gesamtproduktion
  • Volker Sommerfeldt – Berater
  • Nancy Kamprad – Beraterin

Presse- und Hörfunkartikel

Das Projekt hat auch über den Film hinaus Aufmerksamkeit gefunden. Verschiedene Medien in Bayreuth und darüber hinaus haben darüber berichtet – in Artikeln, Interviews und Radiobeiträgen. Eine Auswahl dieser Veröffentlichungen finden Sie hier.

Raum gefüllt von Menschen bei Podiumsdiskussion
Foto von Stefan Dörfler

„Obdachlos in Bayreuth“: Wenn das Unsichtbare sichtbar wird

von Michael Christensen

Am Dienstagabend war das Kulturhaus NEUNEINHALB komplett voll. Aufgrund der großen Nachfrage wurde der Dokumentarfilm „Obdachlos in Bayreuth“, präsentiert von Sübkültür, spontan zweimal gezeigt. Der Film zeigt eine Realität, die viele nicht wahrnehmen.

Im Film erzählt Roland – unter anderem – von seinen Erfahrungen als Obdachloser in Bayreuth.
Jens Wagner, Vorstand von NEUNEINHALB, stellte die Räume zur Verfügung – und damit mehr als nur Platz:

„Wir wollten einen Raum schaffen, der dem Thema Obdachlosigkeit Sichtbarkeit verleiht.“

Geschichten, die berühren – Schicksale, die aufrütteln

Im Film erzählen Betroffene aus Bayreuth ihre Geschichten – zum Beispiel Michael, Roland und Silvia. Es geht um Verlust, Krankheit, Trennung oder Sucht – aber auch um Hoffnung. Die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben durch diese Erzählungen, was es bedeutet, kein Zuhause zu haben. Die Schicksale machen klar: Obdachlosigkeit kann jede und jeden treffen. Ein Highlight: Rolands bewegendes Lied über die Unsichtbarkeit der Obdachlosigkeit, das den Film eindrucksvoll abschließt.

Soziale Realität in Bayreuth: Alle Schichten sind betroffen

Nancy Kamprad von der Stadt Bayreuth betont:

„Obdachlosigkeit betrifft Menschen zwischen 18 und 80 – vom Hilfsarbeiter bis zum Akademiker.“

Die Stadt handelt: Gemeinsam mit Partnern wie GEWOG, Haus Cosima und der Stadtmission Bayreuth unterstützt sie die Betroffenen. Diese Zusammenarbeit wird im Film noch deutlicher sichtbar. Der Film zeigt: In Bayreuth leben Menschen auf der Straße – und es werden mehr. Ohne Schuldzuweisungen, die Kamera bleibt respektvoll – und gibt den Menschen eine Stimme.

Was Bayreuth wirklich braucht: Mehr als nur Hilfsangebote

Im Film wird man zu der Frage gedrängt, was wir tun müssen. Er nimmt jedoch keine Stellung im Sinne journalistischer Objektivität, sondern lässt die Betroffenen selbst zu Wort kommen und überlässt den Zuschauenden die Aufgabe, weiter darüber nachzudenken. Beim Premierenabend sprach Volker Sommerfeldt, Leiter der Stadtmission Bayreuth, eine eindringliche Warnung aus:

„Armut wird zunehmend unsichtbar. Wer viel hat, kennt oft keine armen Menschen mehr.“

Er fordert mehr Begegnungsräume – für sozialen Zusammenhalt und echte Verbindung:

„Was wir brauchen, ist Begegnung, nicht nur Versorgung.“

Laut Sommerfeldt verfügt Bayreuth über gute soziale Dienste und engagierte Beratungsstellen. Doch das reicht nicht aus.

Er fordert:

  • Mehr Personal in sozialen Einrichtungen
  • Mehr bezahlbaren Wohnraum
  • Niedrigschwellige Anlaufstellen wie die Stadtmission
  • Einen Stopp des Mietpreiswahnsinns

„So geht es nicht weiter. Menschen landen heute mit 78 Jahren auf der Straße, weil ihre Wohnung lukrativ weitervermietet werden soll.“

Einsamkeit und Blasengesellschaft: Das größte soziale Problem

Für Sommerfeldt ist klar: Die Gesellschaft leidet nicht nur unter materieller Armut, sondern unter einem Verlust an Verbindung. Die Spaltung in soziale Blasen verhindert echte Begegnungen:

„Wir reden über Armut, ohne mit armen Menschen zu reden.“

Er fordert Orte der Begegnung, niederschwellig und offen. Cafés, Treffpunkte und Räume für Austausch sind gelebte Demokratie:

„Wir müssen uns wieder begegnen. Das ist essenziell – nicht nur für den sozialen Zusammenhalt, sondern auch für unsere Demokratie.“

Entstehung des Films: Vom Theater zur Kamera

„Letztes Jahr gab es eine Veranstaltung in der Studiobühne, eine öffentliche Probe“, erzählt Günter Saalfrank. Daran schloss sich ein Podiumsgespräch an, organisiert vom evangelischen Pilgerwerk. Thema war die Wohnungsnot in Bayreuth. Günter Saalfrank, Journalist, Theologe und Drehbuchautor, war tief bewegt. Er wollte mehr wissen:

„Wer lebt in unserer Stadt auf der Straße – und warum?“

Dieses Thema ließ Saalfrank nicht mehr los. Gemeinsam mit dem ehemaligen Kurier-Redakteur Gunter Becker und Kameramann Andreas Harbach, verbunden durch Volker Sommerfeldt von der Stadtmission, entstand das Team, das das Filmprojekt realisierte.

Gunter Becker brachte zusammen mit Günther Saalfrank journalistische Erfahrung ein. Andreas Harbach, ehemals freiberuflicher Fotograf für den Nordbayerischen Kurier, übernahm Kamera und Schnitt.

Volker Sommerfeldt stellte die Verbindung her und sorgte für die Nahbarkeit der Stadtmission mit obdachlosen Menschen in Bayreuth. Ziel war es, nicht über Obdachlose zu sprechen, sondern sie selbst erzählen zu lassen – ehrlich und würdevoll.

Milieufilm Bayreuth: Eine neue Plattform für soziale Themen

Kameramann Andreas Harbach gründete zusammen mit der Premiere des Dokumentarfilms die Plattform www.milieufilm- bayreuth.de. Dort ist der Film kostenlos abrufbar – für Schulen, Vereine und soziale Einrichtungen. Auf Anfrage kann man ihn herunterladen und so weiter verbreiten. Andreas Harbach bietet außerdem ehrenamtliche Filmproduktionen für Initiativen, Sozialverbände und Vereine an, die ihre Geschichte erzählen möchten. Für die Kontaktaufnahme steht die Webseite zur Verfügung.

Volker Sommerfeldt betont:

„Ein Download reicht nicht. Der Dialog ist entscheidend.“

Einer der Protagonisten, Roland, stellt sich gern Schulen oder Gruppen zur Verfügung, erzählt seine Geschichte – und bringt seine Gitarre mit.

Andreas Harbach, Gunter Becker und Günter Saalfrank

Filmteam beleuchtet Menschen im Abseits

„Obdachlos in Bayreuth“:
20 Minuten über Menschen in der Stadt ohne Zuhause, die bislang nur wenige wahrnehmen.

Von Udo Bartsch

Bayreuth.
Da ist Michael, 49 Jahre alt. Mit 14, als er im Leben noch gar nicht richtig Fuß gefasst hat, flog er zuhause raus. Mit 49 Jahren hat er auch noch nicht Tritt gefasst. Seit 35 Jahren lebt er obdachlos in Bayreuth auf der Straße. Dann ist da Silvia, 48 Jahre alt. Sie war Bäckereiverkäuferin und wurde krank. In ihren Beruf fand sie nicht wieder zurück. Sie ist obdachlos. Und dann der 71 Jahre alte Roland, gelernter Heizungsbauer. Auch er obdachlos.
Die Schwermut macht ihm so schaffen, dass er oft gar nicht mehr leben will, wie er sagt.
Diese drei Menschen kommen in dem Film „Obdachlos in Bayreuth“ zu Wort. Es hätten noch mehr Betroffene sein können.
Denn Obdachlosigkeit kann aus ganz unterschiedlichen Gründen jeden treffen. Kenner des Bayreuther Milieus berichten, dass dort auch schon ein Uni-Professor und ein Rechtsanwalt auftauchten. Bayreuther Obdachlose schlafen in Parks, warmen Tiefgaragen und dunklen Hauseingängen.

Was die Filmemacher wollen:
Der Film ist das Ergebnis einer längeren Recherche in der Stadt. Er zeigt Schicksale, die lange im Verborgenen blieben und über die kaum jemand spricht. Zu Wort kommen darin auch Nancy Kamprad, Leiterin der sozialen Dienste in der Stadtverwaltung und der Geschäftsführer der Gewog, Jürgen Kastner. In beratender Funktion lässt Volker Sommerfeldt von der Stadtmission seine Erfahrungen einfließen. Die Initiative für das Filmprojekt ging von Günter Saalfrank, Dekan i.R., aus. Er hatte das Stück „Wohnungslos in Bayreuth“ bei der Studiobühne gesehen. Dessen Inhalt ließ ihn anschließend nicht mehr los.

Das Drehbuch für den 20 Minuten langen Film hat der frühere Kurier-Redakteur Gunter Becker geschrieben. Becker hatte sich in seiner aktiven Journalistenzeit stets gern sozialer Themen angenommen. Ins Bild gesetzt hat alles der Fotograf und Videoproduzent Andreas Harbach. „Wir wollen mit dem Film niemanden vorführen“, sagt Günter Saalfrank. Es gehe dem Team auch nicht darum, mit dem Finger auf Immobilienbesitzer zu zeigen, die ihre Wohnungen leer stehen lassen. „Wir wollen für das Thema Obdachlosigkeit sensibilisieren“, so Saalfrank. Der Film wende sich ans Bayreuther Publikum, die Schulen und eigne sich auch für die Fortbildung im sozialen Bereich.

Was der Film nicht will:
„Wir wollen keine Kritik an der Stadtverwaltung üben“, erklärt Gunter Becker. Obwohl sich das Team schon einig darin ist, dass die Stadt gegen die Obdachlosigkeit mehr tun könnte. Sommerfeldt:

„Es gibt noch ordentlich Luft nach oben.“

Doch kritische Töne enthält der Film nicht. Er will vielmehr ermutigen, etwas zu unternehmen, so Becker.

Fakten:
Nach städtischen Angaben aus dem Jahr 2023 leben in Bayreuth 110 bis 120 obdachlose Menschen. Bei der Gewog haben 60 eine Bleibe gefunden, wie deren Chef Jürgen Kastner im Film berichtet. In der Unterkunft Haus Cosima finden 16 Personen Aufnahme, wenn sie ihr Zuhause verloren haben.
Nach den Worten von Volker Sommerfeldt starben in den vergangenen fünf Jahren 20 Obdachlose. Nicht einmal 60 Jahre alt, weil Obdachlosigkeit Stress, Strapazen und schwere Krankheit mit sich bringe.
Sie sei eine Spielart der Armut. In der kalten Jahreszeit kämen regelmäßig fünf bis zehn Menschen zur Stadtmission, um sich dort aufzuwärmen. All das bleibe der Mehrheit der Bayreuther verborgen, sagen die Filmemacher. „Während Obdachlosigkeit in großen Städten wie Frankfurt und Berlin offen zutage trete, bleibt sie in Bayreuth im Verborgenen“, so Günter Saalfrank. Eben das thematisiert der Film. Auch in der Stadt Richard Wagners, der Residenzstadt und der Universitätsstadt liegen Licht und Schatten nahe beieinander.

So wirkt der Film:
Der Film bedient sich der Stilmittel der klassischen Sozialreportage. Die Szenen mit den Obdachlosen kommen in Schwarz-weiß, während Bayreuth in Farbe dargestellt wird. Kameramann Andreas Harbach, der auch für den Schnitt verantwortlich ist, verzichtet auf viele Schwenks. Die Kameraführung bleibt ruhig, die Protagonisten und ihre Schilderungen wirken authentisch. Wohl überlegt auch die Perspektive der Kamera: Die Betroffenen werden nicht von oben herab dargestellt. Die Kamera begegnet ihnen auf Augenhöhe. Um es schließlich vorweg zu nehmen: Der Film überrascht mit seiner Botschaft und lässt den Betrachter nicht kalt. Was die Obdachlosen über ihre Schicksale berichten, geht unter die Haut. Bayreuth ist nicht für alle Bürger die Insel der Glückseligkeit.

Die Uraufführung:
Der Film erlebt am Dienstag, 3. Juni, 20 Uhr, seine Uraufführung
im Kulturhaus Neuneinhalb, früher Podium, am Gerberplatz. Ein Gespräch schließt sich an. Einer der Obdachlosen wird teilnehmen.

Mann mit Brille schaut in die Kamera in schwarz/weiß

„Obdachlos in Bayreuth“: Dokumentarfilm zeigt bewegende Geschichten und überraschende Perspektiven

35 Jahre auf der Straße – Michael ist nur einer von vielen. Der Dokumentarfilm „Obdachlos in Bayreuth“ zeigt schonungslos und einfühlsam: Armut hat viele Gesichter. Am 3. Juni wird der Film gezeigt – mit anschließender Diskussion.

von Michael Götz

Wenn der 49-jährige Michael spricht, wirkt er abgeklärt – und müde. Seit 35 Jahren lebt er auf der Straße. Er hat Gewalt erfahren, wurde als Jugendlicher von den Eltern verstoßen, rutschte in die Drogenszene. „Ich möchte gern in vernünftige Verhältnisse zurück. Ich schaff das auch körperlich nicht mehr. Bin ja auch nicht mehr der Jüngste“, sagt er. Trotzdem hat er die Hoffnung nicht aufgegeben.

Michael ist einer von vielen, deren Schicksal im Dokumentarfilm „Obdachlos in Bayreuth“ erzählt wird. Die drei Filmemacher Andreas Harbach (Kamera), Günter Saalfrank und Gunter Becker (beide Text) haben Betroffene über Monate hinweg begleitet – mit großer Nähe und respektvoller Distanz zugleich. Am Dienstag, den 3. Juni 2025, wird der Film im Rahmen der sübkültür im Bayreuther Kulturhaus „Neuneinhalb“ gezeigt. Im Anschluss diskutieren Fachleute, darunter Nancy Kamprad vom Sozialdienst der Stadt Bayreuth und Volker Sommerfeld von der Stadtmission, über Ursachen, Herausforderungen und Perspektiven der Obdachlosigkeit.

Ein unsichtbares Problem
„Ist das nicht Hamburg? Oder Berlin?“, fragt ein Schüler erstaunt, als auf dem Laptop Bilder obdachloser Menschen zu sehen sind. Die Klasse des Gymnasiums Christian-Ernestium schaut sich Ausschnitte aus dem Film „Obdachlos in Bayreuth“ an – und ist überrascht. Die Antwort auf die Frage ist ernüchternd: Es ist Bayreuth. Auch wenn hier das Straßenbild nicht durch Obdachlose geprägt ist wie in Großstädten, leben auch in der fränkischen Universitätsstadt viele Menschen ohne eigenes Dach über dem Kopf. Sie schlafen auf Parkbänken, in Tiefgaragen, Hauseingängen oder – wenn es gut läuft – im städtischen Übergangsheim Haus Cosima.
„Seit 2017 ist ein stetiger Anstieg der Obdachlosigkeit zu verzeichnen“, sagt Nancy Kamprad. Aktuell seien die 16 Plätze der Einrichtung chronisch überbelegt. „Wir haben schon Belegungen weit über der eigentlichen Maximalgrenze.“

Menschen mit Geschichte
Was die Dokumentation so eindringlich macht: Es wird nicht über Obdachlose gesprochen, sondern mit ihnen. Michael, Silvia, Roland – sie alle erzählen selbst. Roland mittlerweile 71 Jahre alt, war einst Krankenpfleger, Heizungsbauer, dann setzten ihm Depressionen zu.

„Die Suizidgedanken wurden immer schlimmer. Ich habe die Wohnung gekündigt und bin einfach gegangen.“

Zwei Jahre lebte er in einem Gartenhaus, egal ob Sommer oder Winter.
Was ihm geholfen hat, war die Stadtmission – und der Glaube:

„Ich war sehr gerne in den Bibelstunden, den Gottesdiensten. Die haben mich getragen. Ich habe Gott eines Nachts gebeten, mich aus dem Sumpf zu reißen. Und er hat es getan.“

Silvia wiederum verlor durch Krankheit ihren Job. Dann die Wohnung. Drei Monate die mittlerweile 48-jährige verbrachte sie im Haus Cosima – „die schwerste Zeit meines Lebens“, sagt sie. Inzwischen hat sie eine Wohnung gefunden. „Ich sage immer: Man darf fallen, das darf jeder. Aber man muss auch wieder aufstehen.“

Jede Schicht kann betroffen sein
Dass Wohnungslosigkeit keine Randerscheinung bestimmter Milieus ist, macht Karin Kretschmann von der Diakonie deutlich.

„Wir hatten schon Rechtsanwälte, Köche, junge Menschen ohne Ausbildung und sogar einen Universitätsprofessor. Obdachlosigkeit betrifft alle gesellschaftlichen Schichten.“

Nicht alle nehmen Hilfe in Anspruch. Manche meiden das Haus Cosima bewusst. „Die fehlende Privatsphäre, ein Zimmer mit fremden Menschen, ein gemeinsames Bad – das ist eine große Hürde“, sagt Kretschmann. Einige bevorzugen es daher, im Freien zu schlafen – trotz Kälte, trotz Gewalt. Michael sagt:

„Man hat Angst. Oft ist es gewalttätig ausgegangen. Es ist gefährlich da draußen.“

Hilfe, die ankommt
Ein Ort der Wärme und Würde ist die Stadtmission Bayreuth. Hier gibt es Essen, Kleidung, Gespräche. Viele Helfer engagieren sich ehrenamtlich, einige waren selbst obdachlos. „Es geht auch darum, wieder gebraucht zu werden“, so Volker Sommerfeld, der Leiter der Bayreuther Stadtmisson.

„Es gibt ja nichts Schlimmeres, als wenn dich niemand mehr braucht.“

Sommerfeld engagiert sich über den Verein Christen schaffen Wohnraum, der drohende Zwangsräumungen verhindern will.

„Wenn Miet- oder Stromschulden nicht mehr tragbar sind, übernehmen wir sie zinsfrei. Viele konnten dadurch ihre Wohnung behalten.“

Perspektiven schaffen
Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GEWOG reagiert auf den steigenden Bedarf. Geschäftsführer Jürgen Kastner erläutert:

„2025 werden zwölf neue Zimmer als Zwischenlösung bereitgestellt – in Gebäuden, die bald generalsaniert werden.“

Es braucht solche Projekte – und mehr davon. Denn wie Kastner betont:

„Damals waren es 15 Menschen, heute sind es fast 60, die wir unterbringen. Tendenz steigend.“

Der Film „Obdachlos in Bayreuth“ zeigt: Es gibt kein Schema für Armut. Kein festes Bild, wer betroffen ist. Aber es gibt Menschen, die sich kümmern. Und es gibt Wege zurück. Wie bei Viktor, der mit 18 auf der Straße stand und heute eine Familie hat. „Wir haben Stunden damit verbracht, seine Briefe zu sortieren“, erzählt Sozialarbeiterin Kretschmann.

„Er hat eine Ausbildung gemacht, eine Wohnung gefunden – und wir haben immer noch Kontakt.“

Der Film, der hinschauen lässt

„Es war für mich eine Entdeckungsreise“, sagt Filmemacher Günter Saalfrank.

„Ich wollte nicht schnell berichten oder dramatisieren, sondern Menschen mit Respekt begegnen.“

Entstanden sei ein Film für Gruppen, Schulen, soziale Berufe. Ein Film, der nicht fertig erzählt, sondern zum Weiterdenken anregt.
Denn Obdachlosigkeit in Bayreuth – das ist nicht „nur“ ein Problem. Es sind Menschen. Geschichten. Und manchmal auch: Neuanfänge.

Filmvorführung und Diskussion:
“Obdachlos in Bayreuth“
Dienstag, 3. Juni 2025, 20 Uhr
Kunst- und Kulturhaus Neuneinhalb, Gerberplatz Bayreuth
Eintritt frei – mit anschließender Podiumsdiskussion